…nachdem der Istzustand des Operationssubjektes erhoben war, folgte die Detailausarbeitung- der Plan des Jägers.
Wenn kein gemeinsam besuchter Ort meine Liebste glücklich machen würde, dann eben ein neuer. Dann eben ein Ort, so triefend romantisch, dass sogar H.C Strache ohne mit der Wimper zu zucken auf seine kruppstahlharten Knie sinken und hinausposaunen würde: Willst du meine Aische werden – zu Nurten Yilmaz. So viel überirdische Romantik bietet eben nur Paris. Eine Stadt, nicht ganz so ewig wie Rom dafür spätestens seit Sex and the City alleiniger Weltmarktführer in Sachen Liebe. Zumindest in den Augen von 95 Prozent der bebusten Weltbevölkerung.
Nachdem der Zielort ausgemacht war, gings Anfang Oktober ans Eingemachte. Sieben Wochen Vorbereitungszeit gestand ich mir zu. Sieben Wochen, in denen die Wahrheit unter einem Nebel aus List, Täuschung und Provokation verborgen bleiben musste. Sieben Wochen der Pirsch. Schließlich galt es so einiges zu organisieren. Über die Flugbörse „Opodo“ orderte ich unseren Luftbus: 2 Personen, Graz-Frankfurt-Paris u. retour, Lufthansa, Economy Class – für rund 570 Euro. Freitag Nachmittag weg und Sonntag um 16 Uhr wieder zurück. Ein Wochenendflash sozusagen! Dass keine Direktflüge vom steirischen Rollfeld angeboten wurden fand ich anfgangs zwar ärgerlich, im Nachhinein sollte sich jedoch gerade dieser Umstand als besonders wertvoll herauskristallisieren. Stand jetzt würde ich sogar empfehlen: Nur keinen Direktflug!
Doch dazu später mehr. Nachdem wir nur 40 Stunden Aufenthalt hätten, begann die Suche nach einer Unterkunft. Die Zielperson würde sich zweifellos eine dreckige Kaschemme, eine heruntergekommene Pension am Stadtrand erwarten. Lange Wege, Wanzen im Bett und eine Hausherrin die als Vorlage für Annie Wilkes in Stephan Kings Misery dienen könnte. So sahen unsere „Hotels“ bislang aus. Nicht diesmal, denn:
Romantik basiert auf dem Überraschungsmoment, ist Produkt des Unerwarteten.
Es geht um spontane Überforderung die das Ziel lähmen und damit das Antizipieren der unmittelbaren Zukunft verunmöglichen soll. Demnach musste es DAS ZIMMER sein. Immerschon träumte meine Holde von einer schwimmteich-großen Badewanne, einer Regenwalddusche und einem großzügigen Balkon über den Dächern der Stadt. Nicht weniger sollte sie bekommen – eine Suit im Herzen von Paris, meiner Prinzessin Palast! Um das Budget (wenigstens etwas) zu schonen, kann ich dazu nur den November empfehlen. Die Buchungslage der Hotels ist verglichen mit Weihnachten/Neujahr bzw. Frühling/Sommer/Herbst für Pariser Verhältnisse katastrophal. Heißt – Rabatte bis zu 70% vom Normalpreis sind auch in Luxushotels drin – der mangelnden Auslastung sei Dank. So war es mir möglich, im Buddha-Bar-Hotel Paris, einem schmücken 5 Sterne Haus, einen Brettverschlag erster Sahne zu buchen. 600 Lappen pro Nacht sind zwar kein Pappenstiel aber im Vergleich zu den € 2000+ die sonst zu berappen wären……ein Schnäppchen…seufz…was tut man(n) nicht alles…..jedenfalls grenzt der Boutique Unterstand an die Rue du Faubourg Saint-Honoré, eine Pracht an Einkaufsstraße (nur Gucci, Prada etc), befindet sich ca. 12 Gehminuten vom Louvre und keine 600 Meter von der Champs-Élysées entfernt. Mehr Zentrum? Geht nicht! Ein Stück „heile“ Welt. Kultivierte Schönheit den Reichen! Die Suit selbst war mit gut 65 m² beinahe so groß wie unser heimatliches Schlaf- und Wohn- und Badezimmer zusammen. Alleine die „Minibar“ hätte unseren Kühlschrank mit Tür und Corpus, Bier und Wein verschlungen. Kurzum – exakt die Art von Unterkunft, die sich die Zielperson nie erwarten würde. CHECK!
Nächster Punkt war die Restaurantauswahl. Wer in Paris verweilt, sollte seine Zeit nicht im Hotel verbringen. Frühstück ja – damit aber basta. Alleine das Webportal Tripadvisor spuckt Bewertungen für über 17.000 Restaurants in dieser Stadt aus. Genug für jeden Geschmack und jedes Budget. Ich wusste, dass die Zielperson besonders „urige“, klassisch-rustikale Restaurants im Sinne der kleinen Bistros mit ihren dunklen Hölzern und viel roter Farbe/Samt gefallen würden. Die französische Küche bietet eigentlich alles was das Herz begeehrt – von der franz. asiatischen Fusionsküche, über baskische und italienische Mixküche, Mediterranes bis hin zum klassischen Boeuf bourguignon. Da wir beide ausgemachte Rindfleischliebhaber sind, wählte ich zwei Restaurants aus letzterem Bereich und reservierte sofort. Die Boucherie Rouliere (Fr, 21:30 Uhr) und das L’llot Vache (Sa, 20:30 Uhr). Beide Lokale brachten es bei rund 300 Bewertungen auf eine „Ausgezeichnet-oder-SehrGut-Quote“ von über 87 %. Beeindruckend zumal die Restaurants nicht nur bei Touristen sondern vor allem bei Einheimischen heraussragend abschnitten. Öffnungszeiten jeweils von 19:00 bis 0:00 Uhr, ca. 30 Gerichte auf der Karte, hochwertigste Produkte im Bereich von 22 – 48 Euro. Wein von 25 – 300 Euro. Dazu klassisch-gemütliches Ambiente und wichtig, da wir von den stolzen Abkömmlingen Napoleons sprechen, freundliches Personal! Leider keine Selbstverständlichkeit, überhaupt wenn man selbst dem Französischen nicht mächtig ist. Die Buchung in der Boucherie Rouliere funktionierte problemlos via Facebook-Messanger. Das L’llot Vache, dort sollte Samstag abends die Verlobung stattfinden, ließ ich über das Conciergen-Service reservieren. Zumal ich einen Sonderwunsch hatte:
Der Kellner sollte den Verlobungsring mit der Nachspeise gemeinsam servieren.
Ein unvergessliches Dessert sozusagen und ein Anliegen, das bereits 3 Stunden nach Anfrage bestätigt wurde. Eigentlich wollte ich zusätzlich einen 2-3 minüten Soundtrack abspielen lassen. Ein Verlobungslied! Dieser Wunsch wurde allerdings abgelehnt. Angeblich um andere Gäste nicht zu stören…tsssss….da hatte wohl jemand Angst, dass Andrea Berg und Wolfgang Petry aus den Boxen krächzen würden. What shalls, dann eben ohne. Schließlich sollte der Anblick des Ringes genügen um entweder ein Tränenmeer oder einen Herzstillstand zu verursachen. 50:50 – ein akzeptables Risiko in Kriegszeiten.
Apropos Ring! Eigentlich wollte ich, gemäß meinem Konsummotte „Buy Regional“ nicht den E-Commerce bemühen. Da der regionale Handel preislich (was ob der Horrormieten im Stadtkern nachvollziehbar ist), vor allem aber in Sachen Auswahl nicht konkurrenzfähig war, bemühte ich schließlich doch das Internt. YORKS! Fette Empfehlung meinerseits! Ringfassungen in allen Materialien und Formen, Diamanten in sämtlichen Gattungen (Gewicht, Farbe, Form, Härte, Reinheit etc.) und alles – ja, ich habs verglichen – 30 bis 70 % unter den Einzelhandelspreisen. Dazu gibts einen Ringconfigurator der in Sachen optische Auflösung nahe am späteren Original ist. Praktisch: Man kann sich auf der Webseite Ringschablonen ausdrucken, um auf Basis bestehender Ringe die halbwegs richtige Größe zu ordern. Lieferzeit beträgt übrigens 3 Wochen, erste Änderung inklusive! Hätte die DHL von ihrem 70 km entfernten Auslieferungslager nicht 10 Tage für die letzte Zustellungsetappe gebraucht, wäre es noch schneller gegangen. Aber gut, nach sanftem Druck von Yorks war der Ring schließlich hier – 2 Wochen vor Abflug. Alles gut. Dachte ich.
Bis zum Lufthansastreik! Mann, mann, mann! Realitätsferne Pensionsprivilegien auf Teufel komm raus erhalten zu wollen wo andere Überstunden unentgeltlich leisten müssen! Schafft vieles, neue Freunde sind damit allerdings wohl eher nicht zu gewinnen. Wenns eine Woche vor meiner geplanten Verlobung ist, erst recht nicht. Aber bitte, nicht mein Einflussbereich und…
….philosophisch betrachtet ist der Streik die gesellschaftsdarwinistische Annäherung des Deutschen an den Franzosen.
Motto: Wenn schon keine weitere Urlaubs-, dann wenigstens eine Streikwoche. Fünf Tage später war der Spuk glücklicherweise vorbei. Kleines Detail am Rande (und verantwortlich für kurzfristigen Bluthochdruck meinerseits): Die Anschläge von Paris hatten just an jenem Wochende stattfgefunden. Vermutlich wäre ich den Streikenden also ziemlich dankbar gewesen, die Flüge nach Paris verunmöglicht zu haben. Nachdem der Schock verdaut war, nutzte ich die verbleibende Woche um ein Rosenblattarrangement zu organisieren. Ein Vorschlag des Hotels! Nett, wie ich fand. Zusätzlich wollte man eine exquisite Champagner-Auswahl bereitstellen – ein Angebot, das ich, den finanziellen Ruin vor Augen, dankend ablehnte. So oder so, wenn das Zielobjekt nach dem „OUI“ ins Hotel zurückkehren würde, wäre – BÄHM, ZOOM; TAUCH, FLASH – alles hardcore romantisch dekoriert. Etwas kitschig – ja – aber es würde zur Unsterblichkeit des Augenblicks genügen. Nicht kleckern, sondern klotzen!
Das gilt übrigens auch für den eigenen Dresscode. Schließlich ging es nicht nur um den Anlass per se, sondern um den gemeinsamen Auftitt in einer der Modemetropolen der Welt. Jedem seinen Stil, aber ein bisschen französichen Chic sollte jeder Alpengorilla, jedes Flachlandbison ausstrahlen. Anzug (zB marineblau oder anthrazit) und Hemd sind Pflicht. Da gibts kein Jammern, Jung’! Entweder mit offenem Kragen, dann sollte das Hemd aber wenigstens einen gewissen Farbkontrast zum Anzug erzeugen. Oder das klassisch weiße Hemd (bitte tailliert) samt Krawatte „mit Pep“. Wer auf chic-laissez-faire machen will, sollte statt der Krawatte einen Schal nehmen. Und bitte:
Lederschuhe-Gürtel-Socken in einem Farbton. Alles andere ist wie ein Ferrari mit Stahlfelgen und Anhängerkupplung. Eine Aufforderung zur osmanischen Backpfeife!
Das mag sich für den einen oder anderen fremd anhören. Ich verspreche aber allen Nachahmern – vor Ort fühlt sich das verdammt gut an. Zumindest wenn man nicht als Deutscher durchgehen möchte. Goethes Nachfahren mögen die besten Ingenieure der Welt sein, doch denken und dichten sie stets in der Kategorie „bequem“ – das Urübel aller Modeschöpfer. Und es gibt noch einen Vorteil: Das Objekt der Begierde zieht garantiert ihr schärfstes Teil an, nur um in der Pärchenbetrachtung Dritter nicht „abzufallen“. Krass oder? Ja, aber so denken Gottes verführerischste Geschöpfe nunmal. Übrigens aus dem selben Grund warum unsereins zwar 5 Liter Bier am Strand kippt, beim Beachvolleyball aber den Bauch einzieht: Evolutionsbiologie!
Somit blieb noch eine weitere Woche um die Tarnung von Operation Winterhaube auszubauen. Schließlich musste sie ja ihre Koffer packen und durfte sich an dem Verlobungswochenende nichts vornehmen. Von daher: HEVIZ – what else! Problem dabei: Ihr Outfit! Für den ungarischen Kurort würden Jeans und Pullover genügen, nicht so für Paris. Es musste also eine Tarngeschichte, eine charmante, vor allem aber einleuchtende Lüge her. So hatte ich das Bild eines hofburgähnlichen Ballraums ausgedruckt und kurzer Hand behaupetet, dass ich sie in dieses „Haubenrestaurant“ (ich glaube der Palast stand in Mexico) einladen würde. Schließlich brauchte ich ein Argument für die sich abzeichnenden Dress-Code-Debatte der nächsten Stunde. Hier ein Auszug davon:
Sie: Ein kurzes Schwarzes oder ähnliches? Echt jetzt? Das ist total overdressed! Da schaun mich dann alle an als wäre ich eine Prostituierte oder ich weiß nicht was!
Ich: Niemand schaut dich an wie eine Prostituierte!
Sie: Woher willst das denn wissen? Dort sind nur 100jährige!
Ich: Und?
Sie: Na was glaubst was die denken!?
Ich: Mach‘ dich nicht lächerlich! 100jährige können nicht mehr denken. Und falls doch, dann sicherlich nicht an Nutten!
Sie: Sieh’st es!
Ich: Was?
Sie: Du sagst es ja selbst!
Ich: Was?
Sie: Nutten!
Ich: Könntest du bitte einfach nur das Kleid einpacken!
Sie: Dazu brauch‘ ich aber High-Heels!
Ich: Deswegen hast sie seinerzeit wohl auch gekauft ! Zum Anziehen. Für schöne Kleider, Röcke und so wei….
Sie: Seepferdchen!
Ich: Ja?
Sie: Klugscheißer mag niemand!
Ich: Sorry! Ich wollte nur damit ausdrü….
Sie: Aber eins sag‘ ich dir gleich – viel gehn kann ich damit nicht!
Ich: Wir fahren eh mit dem Taxi.
Sie: Also du machst es einem echt nicht leicht!
Schlussendlich wurde das Kleid doch noch verstaut, Schuhe inklusive. Womit noch sieben Tage bis zum Abflug blieben. Zeit genug, um meine begeisternden Erzählungen vom Tarnziel zu intensivieren. Selbstverständlich nur um jene Facetten, die sie wirklich nervten! So zum Beispiel, dass unser Hotel über einem Swingerclub läge, wir als Gäste freien Eintritt hätten und naja, vielleicht könnte man ja mal was Neues???? etc, etc….und so schürte ich stetig das Feuer unter dem Kochtopf. Es kochte und brodelte und ihre Kesseltemperatur stieg und stieg. Ja, mein kleiner Vulkan stand kurz vorm Ausbruch! Um dem Ganzen eine weitere realistische Note hinzuzufügen, weihte ich die Eltern des Zielobjektes in mein Vorhaben ein. Nicht nur ob des Segens Willen, sondern um die Täuschung möglichst realistisch aussehen zu lassen. Und dann war es endlich soweit, der Freitag….Operation Winterhaube erreichte die finale Phase…..Umkehr? Unmöglich! Eine Punktlandung musste her…..
(c) Michael Nehsl