Das Bein – ein gesellschaftserotischer Anstoß?!

censored fertig

In Zeiten wie diesen wimmelt es ja förmlich von Skandalen. Die Erreger öffentlichen Ärgernisses lauern buchstäblich an jeder Ecke, nicht mal versteckt hinter Grenzzäunen ist Mann mehr sicher. Frauen übrigens genau so wenig. Da passt es doch ins Bild, dass sich sogar Künstler, schlimmer noch, perfide Schriftsteller, erdreisten, Theatervorstellungen mit einem Bild zu bewerben, das zumindest der Sodomie Tür und Tor öffnet. Aber lasst uns den programmierten Skandal von hinten aufrollen…….

Was war passiert? Man stelle sich vor, ein Mann, Anfang 30, begebe sich in einen Weingarten. Er, den man verbannen sollte, entledigt sich seines traditionellen Beinkleides. Gänzlich unverblümt, verdeckt er seine Mitte mit einem Plakat. Seinen Oberkörper verhüllt er, ohne vorherige Absprache mit überregionalen Sittenwächtern, gar mit einem kessen Hemd. Dem nicht genug! Da der Strolch offensichtlich nicht über den Schneid verfügt, dem entsetzten Leser direkt in die Augen zu blicken, bedeckt er die Fenster zu verkorksten Seele mit verspiegeltem Sonnenglas. Als ob dieser verhinderte 80er-Jahre-Nackedei nicht genug wäre, ranken sich im Hintergrund zudem Pyramidenpappeln – Mutter Natur liebste Phallussymbole – gegen den Himmel. Dann schnurrt die Kamera, wird die (Kleine) Zeitung gedruckt, wird an tausende nichtsahnende Haushalte ausgeliefert. Es folgt: DER SCHOCK! Ohne den satirisch erklärenden Textzusammenhang genauer zu beäugen, ist das einzig logische Urteil gefällt:

Unterbemittelter Selbstdarsteller, pädophiler Frauenfeind, oberflächlicher Provokateur sucht Aufmerksamkeit!

Und ganz ehrlich – das kann man natürlich so sehen. Weil es in Zeiten von Selfiewahn und Konsumverblödung natürlich en vogue ist, nicht lange nachzulesen, oder gar Offensichtliches zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang wurde mir tatsächlich angetragen, dass „ein gutes Foto, selbsterklärend sei“. Stimmt so zwar nicht – das unterscheidet nämlich das Landschafts- oder Ausdrucksfoto vom Foto als Kunstmittel –  aber macht ja nix. Jedem seine Wortspende! Und so versteht es sich von selbst, dass gute 2000 Jahre nach Christi,  in Mitten des weltlichen Europas, zwei entblößte Männerbeine fürs öffentliche Fegefeuer genügen. Derart Entartetes sollte kein Kind sehen, kein Erwachsener erdulden müssen. Schließlich kann visuelle Plumpheit Netzhautkrebs hervorrufen. Weiß man doch! Und falls nicht, wirft es zumindest die Emanzipation um zehntausend Jahre zurück. Vielleicht gar Schlimmeres! Wer für Österreichs meist gelesenes Revolverblatt  arbeitet (richtig, genau jenes, das Schlagzeilen wie „Flüchtlingsüberfälle auf Supermärkte“ einfach mal ERFINDET oder 30 Jahre Sitte und Moral mit der „Nackten“ von Seite 3 propagierten), ist de jure Sachverständiger in Sachen Wahrheitsfindung. Ja klar! Magazin laden und einfach mal drauf los feuern. Warum nicht?

Natürlich kann und darf man schockiert sein (gilt auch für den einen oder anderen Fingerdeut in meinen Büchern)! Auch Provokation mag gelebt werden. So ist es mir zumindest gelungen, zum kurzfristigen Alltagsausbruch beizutragen. Das bringt Sie möglicherweise weiter. Selbstverständlich darf man ein Stilmittel kritisieren, es „Kacke finden“ und sich so lange öffentlich echauffieren bis die eigene Weltanschauung wieder im Lot ist. Dazu muss man den erklärenden Zeitungsartikel nicht lesen, das Wort „Reduktion“ nicht interpretieren oder die Thematik „Anlehnung an Roman-, Theaterfiguren bzw. Thematiken“ nicht verstehen  können. Einzig die Art und Weise, wie man Kritik äußert, sollte bedacht sein. Es ist nämlich das WIE, die Impulsreaktion, die den wahren geistigen Abgrund aufstößt, die der eigentliche Skandal ist.

Dein/Euer

Michael Nehsl

 

 

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