Österreicher sind Jammerlappen. Mehrheitlich zumindest – das sieht man schon darin, dass es der Wiener sogar geschafft hat, das alltägliche Klagen zum Kulturgut zu erheben. Vielleicht liegt es an den verlorenen Kriegen, dem nicht vorhandenen Meer, den zu engen Bergtälern oder schlichtweg an Politikern die in Habsburg ihren Anfang und in Faynegger bzw. Fayschwarzer (was sowohl politisch wie auch farblehrtechnisch korrekter ist) ihren Schaffensniedergang fanden. Ist auch einerlei – als geübter Österreich weiß man, dass jede Form von Veränderung grundsätzlich schlecht ist, genauso wie Anpassung notwendiges Übel und niemals Fortschritt sein kann. Überhaupt ist der Österreicher ein ewiger Nesthocker der ungern, nur wenn absolut notwendig, für sich selbst Verantwortung übernimmt. Wozu sonst gibt’s schließlich Papa-Staat?! Weil Papa, obwohl es zu seinen Pflichten gehören würde, es dennoch nicht allen recht machen kann, haben sich seine Kinder landesweit in „Suderinstitutionen“ zusammen gerottet um die wichtigste aller Fragen zu klären! Wer ist heute der Ärmste? Hier der Wochengewinner:
Autoren/Schriftsteller/Journalisten allen Geschlechts!
– zumindest wenn man Interviews und Kommentare dieser Berufsgruppe liest. Dann ergießt sich nämlich eine Raunzerorgie, eine „Semper-Oper“, eine wortgewordene Ressourcenvergewaltigung über vormals unschuldig-leere Papierseiten – so unlängst in der Keinen Zeitung passiert.
Autoren wissen nämlich nicht nur, dass sie arm sind, sie verwenden auch gefühlte neunzig Prozent ihrer Energie darauf, den/die Schuldigen dafür zu finden. Der Intellektuelle weiß natürlich, meist nach einem Nicht-Wirtschaftsstudium, dass er
a) niemals schuld
b) alles Zumutbare getan und
c) Opfer einer elitären Verschwörung wurde!
Da in neun von zehn Fällen aus der linken Ecke kommend, fängt jede intellektuell wertvolle Realitätsverdammung mit dem Schlagwort „Neokapitalismus“ und sämtlichen artverwandten Begriffen an. Ob die Kürzung von nicht erwirtschaftbaren Redaktionsbudgets („Wie bitte? Ich kann keine drei Monate bezahlt in Brasilien recherchieren? Sauerei, die Welt hat ein Recht auf den 20472sten Vor-Ort-Bericht über den Belo-Monte-Staudamm!“) oder die Tantiemenhöhe von der ja kein Mensch (€ 1,20 pro verkauftem Buch! Mathe gefällig?) überleben kann – schuld sind in der Regel das Internet und neokapitalistische Eliten die die Masse, als deren Robin Hood sich Schriftsteller nur all zu gut gefallen, am Boden halten. Ein Robin Hood der verzichtbaren Wortspenden!
Wie überall steht und fällt die Misere mit der eigener Wahrnehmung. Der typische Autor empfindet sich schon grundsätzlich als positiv überlegen. Jedem gegenüber! Daraus wird ein gewisser Anspruch auf Bewunderung abgeleitet, der sich zum einen in der korrekten Deutungshoheit jeder gesellschaftlichen Thematik und zum anderen im Recht auf profunde finanzielle Entlohnung niederschlägt. Mit wirtschaftlicher Praxis und Theorien hat sich der überlegene Literat nur dahingehend auseinderzusetzen, als dass er Karl Marx als richtig und Adam Smith als falsch schubladisieren kann. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck, ist schon der Gedanke, dass sich auch das eigene Werk den natürlichen Gesetzen des Marktes, nämlich Angebot und Nachfrage, zu unterwerfen hat – ein Grauen. Dass der aktuelle Prosa-Band über die „historische Bedeutung Bertha von Suttners Arschbehaarung im Kontext des sozialen Abstiegs makedonischer Ziegenzüchter“ eine Maximalzielgruppe von drei Personen hat, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Erfolgskriterium sollte schließlich einzig und alleine der Grad pseudointellektueller Gehirnwichserei sein. Ich schaffe daher bin ich – nicht von Marktgesetzen abhängig, könnte so ein Schriftstellercredo sein weswegen Autoren auch ungern über Banalitäten wie Verkaufszahlen und Kundenzufriedenheit sprechen. Transparenz und wirtschaftliche Realitäten haben in der Kunst nichts verloren, die Anpassung daran ist und bleibt Aufgabe der Anderen. Der Masse.
Mit der Masse ist das überhaupt so eine Krux. Sie verhält sich so gar nicht wie sie sollte, deshalb auch kritische Masse. Generell kauft sie viel zu wenige Bücher, wenn doch, dann über Amazon, dort aber das falsche Buch – meist so einen Bestsellerautor. Niveaulos. Clancy, Brown, Grisham, – alle zum in die Tonne kloppen!
Überhaupt müsste man Autoren, deren Bücher einfach, unterhaltsam, humorvoll, spannend und für eine vordefinierte Zielgruppe geschrieben sind die Lizenz entziehen können. Genau wie jenen, die individuelle Kommunikationsstrategien verfolgen, sich dem Handel als Promotionpartner zur Verfügung stellen, vielleicht sogar eigene Vertriebswege mit lokalen Partnern aufgebaut haben. Oder jenen die ihr Buch so gar nicht als der Weisheit letzter Schluss und Erziehungsauftrag sondern als Unterhaltungsprodukt für den Kunden, dass sich nicht vorm Kritiker sondern am Markt bewähren muss, sehen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder Autor eigenständig um Verfilmung, Theaterproduktion, Drehbuch und weitere Verwertungsmöglichkeiten seines Werkes kümmert!? Oder das Undenkbare wagt und werbetechnische Aspekte künstlerisch verarbeitet? Allein das vulgäre Vokabular! Produktion, Vertrieb, Handel, Promotion, Kunde, Markt – wie unwürdig, das trägt schon den Stallgeruch neokapitalistischen Großkapitals.
Es sind nämlich die Heuschrecken, die die ertragreichen Felder des Mittelstands, zerstört haben – weiß der Autor, meist über vierzig. Es ist der Augenblick in dem er selbst doch ganz gerne Banker geworden wäre. Da das nicht mehr möglich ist, liegt seine nächste Forderung auf der Hand: Mehr Staat muss her – Sozial statt Kapital! Nehmt es den Reichen und gebt es Robin Hood! Zumindest so lange man selbst über kein nennenswertes Kapitalvermögen verfügt, ist die Solidarisierung, das werbetechnische Anbiedern mit der kritischen Masse, en vogue. Schreibt man irgendwann, entgegen aller neokapitalistisch-unterdrückenden Eliten, doch einen international verfilmten Bestseller, führt der eigene Weg, selbstverständlich aus Inspirationsgründen, sehr schnell an abgabenschonendere Plätze. Scheiß auf Robin Hood! Der war ja doch nur ein Dieb! Dann transformiert sich der hohe Anteil von „Sozial“ nämlich Einkommensteuer, Lohnnebenkosten, Sozialabgaben und Umsatzsteuer sehr schnell zu dem was er wirklich ist. Ein Mittelstandskiller der den erwünschten All-Inklusive-Easy-Going-Staat zum Schuldenopfer der berühmten Heuschrecken macht!
Bis es aber soweit ist, was bei 99 % nie der Fall sein wird, schreit man lieber lauthals nach kurzfristigen staatlichen Förderungen und Künstlerrente anstatt sich der veränderten Wertschöpfungs und Produktivitätserfordernis im globalen Wettbewerb, den alltäglichen Kampf um (Lese)Kundschaft zu stellen. Das sollen doch bitte andere tun – Unternehmer, nicht Schriftsteller!
Alternativ könnte man natürlich den eigenen Zugang ändern, das Berufsbild anpassen, dem Jammern entsagen und etwas unternehmen! Könnte. Oder aber man frönt weiterhin dem eingebildeten Berufsethos, suhlt sich im schicksalhaften Armutsverdammnis großer österreichischer Poeten und schreibt ein paar unbezahlte Zeilen über das Unumkehrbare. Ende.
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