Nachdem jeder so seine Macken hat, sich diese bekannterweise nicht aussuchen kann, im Gegenteil, meist Opfer ebendieser ist – bekenne ich hiermit offiziell: Ich bin Bayern-Fan!
Das mag mit der einseitigen Bravo-Sport-Berichterstattung der frühen 90er in Verbindung stehen oder dem Umstand geschuldet sein, dass der FCB schon immer mehr bot als schnöden Fußball. Es waren die wunderschönen Eigentore des Andreas Herzog, samt anschließender Würgeattacke durch Oliver Kahn, die menschliche Schwäche in der sonst so sterilen Perfektion der Bayern-Maschinerie andeutete. So war über viele Jahre das Liebesleben von Stefan Effenberg und der Zigarettenkonsum von Mario Basler weitaus ansehnlicher als der einseitige Kampf des Lothar Matthäus gegen das unausweichliche Ende seines (Ehe)Vertrages wie auch der Libero-Position an sich. Und obwohl Manuel Neuer erst 20 Jahre später diese Lücke füllen sollte, holten wir Schale um Schale.
Die oft unberechtigt, und noch öfter berechtigt, unterstellte „Bayernarroganz“ fußt zu einem großen Teil im Umstand, dass Bayern eben trotzdem gewann. Ganz egal wie sehr man sich auch zerfleischte, am Ende siegte die kollektive Einsicht, dass nur große Ergebnisse, große Freiheiten rechtfertigen würden. Natürlich wurden zwischendurch mal Dorfclubs aus Stuttgart, Wolfsburg oder sogar dem Pott Meister, doch während diese ihren Coup noch feierten, begann in München schon das Hinterfragen was denn so falsch, respektive was wieder besser laufen müsste um die Schmach einer Vizemeisterschaft kein weiteres Mal ertragen zu müssen. Dafür holte man sich sogar einen dauergrinsenden Motivator samt unfassbar vieler Buddhas an die Säbener Straße. Oder eben Matthias Sammer. Keine echte Liebe weil sympathisch wie Josef Stalin aber eben zum Perfektionsanspruch passend.
Das werbewirksam geschaffenen Credo „Mia san mia“- ist dahingehend nur Ausdruck eines gewachsenen Selbstverständnisses das aus dem immerwährende Hinterfragen des Hier und Jetzt nach Optimierunspotenzial resultiert. Was im Ergebnis genausogut Lewandowski wie Michael Reschke oder Allianz Arena bedeuten kann. Das hat zwar den Charm einer Atombombe, funktioniert aber. Ist nicht sexy aber macht den Verein zur einzig verbliebenen Supermacht der Bundesliga. Mia san mia, take it or leave it – Vereinserfolg als oberste Prämisse und Gradmesser. Dann kam Pep.
Pep, the Untouchable, der Messi unter den Trainergottheiten. Unantastbar in Gedanken, Worten und Werken.
Und so darf plötzlich nicht mehr straffrei hinterfragt werden. Wird aus „mia echte Liebe“, wird eine Person über den Verein erhoben. Kaiser, Ulli, Kalle – sie haben den FCB zu dem gemacht was er heute ist und waren dennoch niemals größer als der Verein selbst. Kritisierte man sie, machte man sich zwar der Majestätsbeleidigung aber niemals der Gotteslästerung schuldig. Damals. Heute aber, baumelt dem Vernehmen nach sogar das Selbstwertgefühl von Matthias, (ex) Motzki, Sammer in Peps Büro. Nicht weiter verwunderlich bei der Geschwindigkeit mit er ihm bei leisester Kritik an Pep & Co Maulkorb und Fussfesseln angelegt werden. Im pep’schen Universum setzt man auf bedinungslosen Konsens, auf Follower a la Paul Breitner. Groupies haben Hochkonjunktur und auch wenn der „Mull“ bis dato noch keine Studie vorgelegt hat, so gilt als medizinische Tatsache:
Pep ist eine Droge, die aus Sammers Breitners macht
Dabei gäbe es genügend zu kritiseren. Warum zum Beispiel funktioniert das achso variable pep’sche System nur mit überragender Flügelzange? Ohne Robben in Hochform auf Rechts und Alaba-Ribery auf Links siehts in Sachen Torgefahr zappenduster aus. Weil dann weder Einzelaktionen Erfolg bringen, noch das Zentrum freigespielt wird. Apropos Zentrum, das altes Barca-Pep-Problem. Stehen Innenverteidiger mit den Unterstützungssechsen nur halbwegs kompakt, gibts für Müller und Lewa praktisch kein „systematisches“ Durchkommen. Wenn doch, dann meist aufgrund individueller Klasse aber nicht ob des überragenden Systems. Ein System übrigens, das es nicht und nicht schafft, die schlummernden Talente des Mario Götze zu wecken, oder gar zu integrieren. Grenzt schon bald an eine kreative Leistung den (gesunden) WM-Goldtorschützen trotz aller Kaderverletzungen nicht zum Stammspieler zu bekommen. Beinahe kreativ hingegen sind die haarsträubenden Fehler, die in der Rückwärtsbewegung entstehen, sobald der Ball im Mittelfeld verloren geht und der Gegner zu kontern beginnt. Als hätte die Sache (kein?) System.
Wenn man also vom überschaubaren Unterhaltungswert endloser Ballstafetten absieht, hinzurechnet wie der Kader relativ zum Triplegewinn verstärkt wurde, kann ich nicht feststellen, dass Bayern besser als unter Heynckes spielen würden. Damals hatten die Spiele gegen Augsburg und Bremen vielleicht weniger (optische) Eleganz, gleichzeitig musste man gegen die Top5 der Liga auch keine Gegentor-Panik-Attacken erleiden, nur weil diese eine Balleroberung zu verzeichnen hatten. Und ja, ich weiß, wir sind wieder Meister. Vorsprung ohne Ende. Schon klar. Nur müsste es heißen – trotz und nicht wegen unseres Systems. Weil niemand unserer Konkurrenten einen Lauf bekam hat und weder Wolfsburg, BMG oder Vizekusen die Kaderdichte haben um auf 3 Hochzeiten zu tanzen und in der Liga konstante 3er gegen Underdogs einzufahren. Deswegen konnten wir es uns auch erlauben, ganz locker JEDES Spitzenspiel der Rückrunde zu verlieren. Inklusive BVB im Pokal. Wer das Spiel gesehen hat weiß, dass 70 Minuten Chefe im Ring nichts bringen, wenn nur ein einziger Punch des Gegners genügt um auf die Bretter zu gehen. Apropos Bienenvölker, nur die machen sich von der alleinigen Entscheidung ihrer Königin abhängig. So war es Kulttrainer „Kloppo“ höchstpersönlich der erkannte, dass das Große (der Verein) beinahe schicksalhaft scheitert, sobald das Kleine (eine Person) überhöht und damit einer Unantastbarkeit zugeführt wird.
Nur bekloppt, dass Pep nichts davon weiß.
Das Hauptproblem des FCB ist nicht einmal Pep selbst, sondern die Erhabenheit, die man seiner Sichtweise zugesteht. Nur, dass man das so nicht sehen oder schreiben darf. Eigentlich. Weil das einen zum verlorenen Ahnungslosen stempelt. Deswegen bleiben die beste 45 Saisonminuten im Rückspiel gegen ein schwaches Porto auf ewig das Match, an dem man das Genie Guardiolas messen wird. Alles Andere – Unfälle, Zufälle oder Schuld der Spieler die ein fehlerloses System nicht richtig umzusetzen wussten. Vielleicht verstehts eben nur Manuel Neuer! Die restlichen Kicker scheinen in TV-Interviews nach haarsträubenden, vor Individual- und Kollektivfehler strotzenden Spielen (siehe CL-Halbfinale Real Madrid 0:4 oder das 1:4 in Wolfsburg ) vollkommen den Realtitätsbezug verloren zu haben. „Wir? Schlecht? Fehler? Unmöglich!“
Klingt bekloppt ist aber nur aufgepep(p)t!
Denn am Ende dieser Tage wissen doch alle Bayernfans und solche die’s mal waren: Fehler gibts nicht, Systemfehler schon gar nicht, weiß der Pep, weiß die Welt und wers nicht glaubt, der frag‘ den Breitner – sagt der Sammer. Auf baldige Besserung hofft
Dein/Euer
Michael Nehsl
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